Echt bitter

Wir hatten ihn schon in der Lasagne. Vergangene Woche machte er ein Risotto bunt und geschmacklich erst so richtig spannend. Und an diesem Mittwoch kommt der Radicchio in unsere Frittata; der italienischen Variante des Gemüse-Omelettes. Dass diese Kulturform des „Unkrauts“ Zichorie, auch Gemeine Wegwarte genannt, erhitzt wird bzw. heißen Gerichten zugegeben wird, ist in deutschen Küchen eher unüblich. Hier macht er als Radicchio Rosso di Chioggia vor allem Salate bitter. Ähnlich wie seine Verwandten Endivie, Chicorée oder Frisée.

Schuld daran ist der Bitterstoff Lactucopikrin. Dieser hat nicht nur eine beruhigende, verdauungsfördernde und antientzündliche Wirkung, er soll sogar auch gegen Malarie helfen und neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz entgegenwirken. Auf der anderen Seite hat es gute Gründe, warum wir bitteren Geschmäckern grundsätzlich erst einmal eher abgeneigt sind: Der Mensch hat rund 25 verschiedene Rezeptoren, um diese Note herauszuschmecken, denn viele bittere Pflanzen und Lebensmittel waren und sind für ihn bis heute giftig – oder sind zumindest noch nicht (verzehr)reif.

Ein bewährter Weg, bittere Geschmacksnoten attraktiv für unsere Zunge zu machen: Man komibiniert sie mit Süßem, wie hier bei Barbaras selbstgemachter Bitterorangen-Marmelade.

Was tun Züchter und Produzenten also seit Jahrzehnten: Sie versuchen die Bitterkeit dieser Salate herauszuzüchten, um sie massentauglicher zu machen. Dabei bleiben allerdings auch die besonders gesunden Eigenschaften dieser Lebensmittel mit auf der Strecke, und unser Geschmackshorizont wird immer enger. Der Autor eines Artikel aus dem „SZ-Magazin“ beobachtete bereits 2018 allerdings auch einen gegensätzlichen Trend: Immer mehr (welt)reiselustige Menschen und solche vor allem mit Spaß an kulinarischen Abenteuern legen großen Wert auf authentische Aromen und verlangen wiederum nach entsprechend ehrlichen Zutaten.

Bitter ist wie Sauer oder Scharf eine Geschmacksrichtung, an die man sich mit zunehmenden Alter erst gewöhnen muss, man kann sie gewissermaßen lernen. Doch die Voraussetzungen sind dabei grundverschieden: „Es gibt Bitterschmecker – rund ein Viertel der Bevölkerung, Normalschmecker – in etwa die Hälfte der Bevölkerung – und Nichtschmecker – nochmals ein Viertel der Menschen. Für Bitterschmecker kann schon eine geringe Menge eines Bitterstoffes unangenehm sein, die ein Nichtschmecker erst gar nicht wahrnimmt, während Normalschmecker die feinen Bitterabstufungen durchaus zu schätzen wissen“, berichtete die Gewürzexpertin Bettina Matthaei im Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“. Sie hat gleich ein ganzes, mehrfach ausgezeichnetes Buch zum Thema „Bitter“ geschrieben, das als ausdrückliche Einladung verstanden werden will, sich an diese besondere gustatorische Wahrnehmung weiter heranzuwagen.

Erhitzung oder kurzes Einlegen in warmes Wasser oder die Kombination mit anderen Zutaten, zum Beispiel Früchte sorgen übrigens dafür, dass sich die Bitterkeit eines Gerichts in Grenzen hält. Und natürlich: die Dosierung. Bei unserer Frittata sorgen u.a. Süßkartoffel, Parmesan und natürlich die Eier dafür, dass der Radicchio seinen adäquaten Platz findet.

Außerdem auf unserer Speisekarte: eine Minestrone mit Gemüse, Hülsenfrüchten, Pasta und Getreide, Pasta und/oder Riso e patate, eine Röstkarotten-Linsen-Suppe mit Kreuzkümmel, Chili und Zitrone sowie Pasta con le cipolle – also mit einem leicht süßlichen Sugo aus in Olivenöl geschmorten Zwiebeln. Unsere komplette Wochenkarte findet sich wie immer hier.