Das italienische Konzept des Aperitivo ist ja wirklich eine schöne Sache. Man hängt irgendwo zwischen Zapfhahn und Straßenlaterne herum, schwebt in diesem wunderbar unbestimmten Zustand zwischen Geradeangekommensein und Baldauchmalwiedergehenmüssen, hat was Sprudelndes mit oder Alkohol in der Hand, kaut zwischendurch auf kleinen Leckereien herum, widmet sich aber vor allem mit größter Aufmerksamkeit dem hoffnungsvoll altmodischen analogen Austausch mit Freunden und Bekannten.
Allerdings ist dieses Konzept den Leuten hier in Italien (ich sitze gerade im Zug, während ich das schreibe und darf bis zum Brenner deshalb noch „hier“ schreiben) so in die Gewohnheiten gemeißelt, dass sie das auch im Januar durchziehen als wäre einfach jeder Abend lau, aus Prinzip. Dabei waren zwar Aussicht/Architektur/Ambiente während unseres einwöchigen Aufenthalts in Venedig meistens ein klitzekleinesbisschen atemberaubender als zu Hause, aber die Temperaturen, die lagen wie in Coburg abends um acht so zwischen 1 und 6 Grad.
Und trotzdem standen die Venezianer und jene, die sich als Studierende oder sonstige Längergäste in die örtlichen Gepflogenheiten fügten, freitags, samstags, sonntags und donnerstags und manche aber auch mittwochs oder dienstags draußen vor den Bars herum oder auch an den Theken der Bars, dort allerdings möglichst nahe bei den weit offenen Türen, denn das einladende Wesen des Aperitivo verträgt sich mit geschlossenen Türen so gar nicht. Das haben wir schon verstanden. Wir waren trotzdem nicht bereit, uns den culo abzufrieren. Schon gleich nach den langen Nachmittagen an und auf den Kanälen. Tedeschi …
Ansonsten können wir das Urlaubsziel Venedig in seinem einzigen echten Nebensaisonmonat Januar absolut empfehlen. Weil, klar, es gibt viel weniger Gedränge und Geschiebe. Wobei es aber ja auch in reiselustigeren Zeiten erstaunlich ist, wie schnell man in dieser so kleinen wie unübersichtlichen Wunderstadt auf nicht überlaufene und gerade deshalb lebendige Campos oder aus der Zeit gefallene Pasticcerias (zwei falsche Plurale, dafür aber ja vielleicht interessante Links!) stößt, sobald man auch nur zehn Minuten Fußweg zwischen sich und Rialto, Markusplatz usw. gebracht hat. Und übrigens: Von der Insel Giudecca hat man eine noch viel sagenhaftere Aussicht auf die berühmten Paläste und Basilikas hinüber als andersherum – gerade auch bei Sonnenuntergang. (Erst recht, wenn man den einzigen Fensterplatz in der Salumeria „Dalla Maria“ ergattert hat … die Eingangstür geht dort allerdings auch nicht richtig zu.)
Derart angefüllt mit frischer Luft, gleißendem Licht und Schönheit, Geschichte und Eindrücken, Fritole (venezianische Faschingskrapfen) und Baccalà mantecato (Stockfisch-Püree), kehren wir diesen Dienstag für euch hinter unsere eigene Theke zurück. Wir frittieren zwar auch weiterhin nix im Ribollita und die Tür bleibt zu bis mindestens 15 Grad Außentemperatur. Aber kochen tut Barbara, als wäre sie nie zurückgekehrt aus Italien – das ist hiermit versprochen! Hier findet ihr wie immer unsere neue Wochenkarte.
P.S.: Von unserem letztjährigen Italienurlaub hatten wir ja mit Radio Neu einen interessanten, musikalisch aber auch ziemlich progressiven Sender mitgebracht. Diesmal hat es uns Radio Gemini aus Padua angetan. Wie die einem immer nur die größten Pop- und Tanzbodenkracher aus 70s, 80s, 90s, aus Disco, Soul, Hitparaden-House usw. um die Ohren hauen, lustig knallende Oldschool-Jingles inklusive, das macht großen Spaß. Klickt drauf, das schüttelt euch die Januarkälte aus euren Knochen!